Wie ich mir beinahe ein orange gebatiktes Hemd mit Blumenmustern kaufte…

Glastonbury, England. Einer meiner geheimen, nicht ausgelebten Wünsche ist es, ein kleiner Exzentriker zu sein. Wäre es nicht toll, jeden Morgen auf einer großen mechanischen Spinne zur Arbeit zu reiten oder in einer Kutsche, gezogen von zwölf weißen Königspudeln, durch die Stadt zu fahren und dabei die Passanten im Vorbeirollen huldvoll zu grüßen. Oh, ihr süßen Tagträume.

Nun ja, lassen wir das. Vielleicht begründet sich meine Vorliebe für England damit, dass es ein Land ist, welches mit überproportional vielen zur Exzentrik neigenden Personen gesegnet ist. Ganz besonders tritt dies in Glastonbury zu Tage. Eine wahrlich besondere und beeindruckende kleine Stadt, in der ich gerne länger geblieben wäre. Aber beginnen wir von vorne.

Ich war auf dem Rückweg von Wales und wollte am Abend in Bath sein. Da ich ausreichend Zeit hatte, entschloss ich mich zu einem kleinen Umweg und fuhr nach der großen Brücke über den Severn erst einmal in Richtung Cheddar. „C h e d d a r“, genau, so wie der Käse. Das berühmte Milchprodukt ist nach der Stadt benannt. Wobei es mir noch zu früh am Morgen war, um ein Käsemuseum zu besichtigen. Mein eigentliches Ziel war die am Stadtrand beginnende Cheddar Gorge, die größte Felsenschlucht Großbritanniens. Sie ist fast fünf Kilometer lang und teilweise über einhundert Meter tief. Im Kalkstein befinden sich zudem einige Höhlen, wovon manche auch zu besichtigen sind. Ich beschränkte mich auf eine Durchfahrt und machte von der Naturschönheit das ein oder andere Bild.

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Cheddar Gorge

Mein „Navi“ führte mich über Single Track Roads weiter durch eine wundervolle englische Hügellandschaft in Richtung Glastonburry. Für einen kurzen Moment war ich überrascht, als ich in der Ferne den Glastonburry Tor entdeckte, erkannte aber sofort: Dieser Umweg hat sich gelohnt!

Da ich hungrig war, steuerte ich zunächst einen Parkplatz in der Innenstadt an. Viel wusste ich nicht über den Ort. Einmal im Jahr soll es hier ein großes Festival geben und alles soll ein wenig abgedreht sein und irgendetwas war da noch mit König Artus und Avalon oder so.

Die High Street bildet das Zentrum des Ortes und neben den üblichen Geschäften gibt es viele esoterisch angehauchte Läden. Man hat einen große Auswahl an Räucherstäbchen, indischem Kunsthandwerk und Literatur über Baumhoroskope. Viele Menschen kleiden sich hier anders. Bunte Gewänder, geheimnisvolle Umhänge und merkwürdige Kopfbedeckungen scheinen an der Tagesordnung zu sein. Ein Marktschreier lief in mittelalterlichem Kostüm durch die Stadt und machte auf die verschiedensten Angebote aufmerksam. Menschen picknickten auf der Wiese im Kirchhof von St. John´s und der aus allen Shops strömende Duft von Räucherwerk betörte meinen Sinne. Nach wenigen Metern auf der Hauptstraße war mir klar: „Ich liebe diesen Ort!“

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Der sprechende Baum in Glastobury
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Picknick vor St. John´s
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The George and Pilgrim´s Hotel

Die Ruinen der Glastonburry Abbey befinden sich mitten im Zentrum . Ich löste mein Ticket und gönnte mir erst einmal einen Tee und ein hervorragendes Brie-Cranberry-Sandwich am Kiosk. Vor mir lagen die Überreste der Abtei in einer parkähnlichen Anlage und ich genoss die wärmende Sonne zu meinem Snack.SONY DSC

Glastonbury Abbey wurde, wie viele andere Kirchengüter, im 16. Jahrhundert aufgelöst, hat aber einige spannende Legenden bzw. Geschichten zu bieten. Die eine handelt vom sagenumwobenen König Artus, dem ich auf meinen Reisen durch England schon häufiger begegnet bin. Angeblich sollen die Mönche der Abtei 1191 die sterblichen Überreste Artus´ und seiner Frau Guinevere gefunden haben. Fast einhundert Jahre später, 1278 wurden deren Gebeine in ein neues Grab umgebettet. Von beiden Gräbern ist nichts mehr zu sehen und lediglich einen Tafel weist den Besucher auf die Besonderheit hin. Ob Artus wirklich gelebt hat ist immer noch umstritten: Auf alle Fälle hat er uns eine schöne Sage hinterlassen.

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Das Grab von König Artus

Auch die zweite Geschichte hängt mit ihm, als bekanntem Gralssucher, unmittelbar zusammen. 30 Jahre nach dem Tod von Jesus soll Josef von Arimathäa nach Glastonbury gekommen sein, um eine Kapelle zu bauen. Den heiligen Gral soll er mitgeführt haben und einer weiteren Legende zufolge am Fuß des Glastonbury Tor vergraben haben. Ebenso soll Josef seinen Wanderstab auf dem Gebiet der Abtei in den Boden gerammt haben und daraus sei ein heiliger Dornbusch erwachsen, der jeweils zu Ostern und Weihnachten blüht. Auch heute noch kann man einen Dornbusch bewundern. Allerdings handelt es sich um einen „Ersatzbusch“, da der richtige im Englischen Bürgerkrieg im 17 . Jahrhundert abgeholzt wurde.

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Der heilige Ersatz-Dornbusch

Abgesehen von diesen vielen wilden Geschichten lohnt sich der Besuch der Abtei auch wegen der imposanten Ruinen durch die ich eine Weile fotografierend lief.

Auf dem Rückweg zum Auto besuchte ich einige der netten Läden und stand wirklich kurz davor ein psychedelisch gebatiktes Hemd in leuchtenden Orangetönen zu kaufen. Sie sehen, welche befreienden Wirkung diese Stadt nach kürzester Zeit auf einen hat. Ich war bereit meinem Wunsch nach Exzentrik nachzugeben. Lediglich die Tatsache, dass es das Symbol meiner inneren Befreiung nicht in meiner Größe gab, verhinderte einen Kauf.

Und so fuhr ich mit meinem schwarzen Hemd die enge Straße zum Glastonbury Tor hinauf. Die Schilder, dass es oben auf dem Hügel keine Parkplätze gab, ignorierte ich, um schnell eines besseren belehrt zu werden. Nach fünfzehn Minuten war ich also wieder am Fuß des Hügels und parkte brav auf einem Privatparkplatz für zwei Pfund, wie es die Schilder empfohlen hatten. Der Parkwächter hatte eine imposante Zahnlücke, weswegen ich ihn nur schwer verstand, aber dank seiner Gesten fand ich den schnellsten Weg zu Fuß auf den Hügel. Einen Besuch der Chalice Well schenkte ich mir. Dort soll Josef den Gral vergraben haben, weswegen das Wasser rot gefärbt aus der Quelle strömt.

Den Anstieg zum Glastonbury Tor brachte ich zügig hinter mich. Dieser besondere Ort wird vom National Trust verwaltet, ist aber kostenlos zu besichtigen. Die letzten Meter des Hügels sind dann doch recht steil, aber die wunderbare Aussicht entschädigt für alle Mühen. Leider war der Himmel mittlerweile wolkenverhangen und es pfiff ein empfindlicher Wind, weswegen sich die meisten Besucher im Windschatten des restaurierten Kirchturms scharten. Beim Abstieg schaute ich noch das viktorianischen Brunnenhaus der White Well an. Dieses ist nur von Kerzen erleuchtet und ein wirklich magischer Ort, der sich schwer beschreiben lässt. Für mich war er jedenfalls der passende Abschluss eines tollen Tages in Glastonbury.

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steiler Anstieg zum Glastonbury Tor
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schöner Ausblick von ganz oben

 

 

 

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Andrea sagt:

    Glastonbury, wie wunderbar. Eigentlich wollte ich ja die Bernd, das Brot-Geschichte bei dir lesen aber dann sah ich dieses hier. Wie wundervoll, ich mag diesen Ort sehr

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    1. Vielen Dank für Deinen nette Nachricht

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